21. August 2013

Reform des Verbrau­cher­insol­venz­ver­fah­rens: Rest­schuld­be­freiung bereits nach drei Jahren möglich

Das bishe­rige deut­sche Insol­venz­recht sieht ein Rest­schuld­be­frei­ungs­ver­fahren vor, worin nach einer 6-jährigen Wohl­ver­hal­tens­pe­riode eine Befreiung von den ausste­henden Schulden ermög­licht wird. Dies ist im euro­päi­schen Vergleich ein verhält­nis­mäßig langer Zeit­raum. Schuldner, die in England, Spanien oder Frank­reich wohnen, können dieses Ziel bereits in ca. 18 Monaten errei­chen.

Im Mai 2013 verab­schie­dete der Bundestag das Gesetz zur Verkür­zung des Rest­schuld­be­frei­ungs­ver­fah­rens und zur Stär­kung der Gläu­bi­ger­rechte, in welchem nach­fol­gende Ände­rungen des Verbraucherinsolvenzver­fahrens fest­ge­legt wurden. Der Bundesrat hat am 07.06.2013 beschlossen, auf Einwen­dungen zu verzichten. Die Ände­rungen werden am 01.07.2014 in Kraft treten.

Verkür­zung der Wohl­ver­hal­tens­phase In den nach dem 1. Juli 2014 bean­tragten Verfahren soll eine Rest­schuld­be­freiung bereits nach drei Jahren – und nicht wie bislang nach sechs Jahren – möglich werden, wenn der Schuldner inner­halb dieses Zeit­raums mindes­tens 35 % der Gläu­bi­ger­for­de­rungen sowie die Verfah­rens­kosten beglei­chen kann. Da in vielen Fällen eine Tilgung der Schulden von 35 % nicht möglich ist, soll die Wohl­ver­hal­tens­pe­riode des Schuld­ners zumin­dest auf 5 Jahre gekürzt werden, soweit dieser die Verfah­rens­kosten voll­ständig ausge­gli­chen hat. Andern­falls bleibt die Wohl­ver­hal­tens­phase von 6 Jahren unbe­rührt.

Dies kommt auch den Gläu­bi­gern zugute, denn viele von ihnen gehen bisher trotz lang­wie­rigem Verfahren leer aus, weil den Schuld­nern Anreize fehlen, sich um Beglei­chung der Forde­rungen zu bemühen. Dies ändert sich mit der Insol­venz­rechts­re­form. Schuld­nern stellt sie einen schnel­leren wirt­schaft­li­chen Neustart in Aussicht, während Gläu­biger von dem damit verbun­denen Zahlungs­an­reiz profi­tieren und nach drei Jahren nun zumin­dest einen Teil ihrer Forde­rungen erhalten.

Die Landes­jus­tiz­ver­wal­tungen werden weiterhin entlastet, da dem Schuldner nun ein Anreiz zur zeit­nahen Beglei­chung der Kosten des Insol­venz­ver­fah­rens gesetzt wird. Dies ist nötig, da die Insol­venz­ord­nung bei Nach­weis der Vermö­gens­lo­sig­keit die Stun­dung der Verfah­rens­kosten durch das Insol­venz­ge­richt bis nach Been­di­gung der Wohl­ver­hal­tens­pe­riode vorsieht.

Verhalten des Schuld­ners Um in den Genuss der Rest­schuld­be­freiung zu gelangen, muss der Schuldner neben den genannten Voraus­set­zungen gewisse Oblie­gen­heiten erfüllen. Insbe­son­dere hat er für den vorer­wähnten Zeit­raum von 3, 5 oder 6 Jahren seine pfänd­baren Bezüge an den Treu­händer abzu­treten, muss eine ange­mes­sene Erwerbs­tä­tig­keit ausüben, und wenn er ohne Beschäf­ti­gung ist, sich um eine solche bemühen bzw. darf keine zumut­bare Tätig­keit ablehnen. Diese Erwerbs­ob­lie­gen­heit ist nach neuer Rege­lung nicht mehr erst mit Eintritt in die Wohl­ver­hal­tens­pe­riode, sondern bereits ab Eröff­nung des Insol­venz­ver­fah­rens zu erfüllen.

Flexible Entschul­dungs­mög­lich­keit im Verbrau­cher­insol­venz­ver­fahren Zudem wurde das Insol­venz­plan­ver­fahren für das Verbrau­cher­insol­venz­ver­fahren ermög­licht. Dieses stellt einen weiteren Weg zur vorzei­tigen Entschul­dung dar, inner­halb der der Schuldner zusammen mit den Gläu­bi­gern unter Berück­sich­ti­gung der beson­deren Gege­ben­heiten des Einzel­falls einen indi­vi­du­ellen Insol­venz­plan aufstellen kann.

Ein solcher Plan kann Rege­lungen vorsehen, die eine um einiges schnel­lere Entschul­dung als das Durch­laufen des Rest­schuld­be­frei­ungs­ver­fah­rens ermög­li­chen. Ein Insol­venz­plan soll auch inner­halb der Verbrau­cher­insol­venz­ver­fahren beschlossen werden können, die vor dem 1. Juli 2014 bean­tragt wurden oder werden.

Schutz von Mitglie­dern von Wohnungs­ge­nos­sen­schaften Nach neuer Rege­lung darf der Insol­venz­ver­walter die Mitglied­schaft des Nutzers einer Genos­sen­schafts­woh­nung nicht mehr kündigen, wenn das Guthaben nicht höher als das Vier­fache des monat­li­chen Netto­nut­zungs­ent­gelts oder maximal 2.000 Euro ist. Damit werden Mitglieder von Wohnungs­ge­nos­sen­schaften, die sich in der Insol­venz befinden, vor dem Verlust der Wohnung geschützt. Gleich­zeitig werden die Inter­essen der Insol­venz­gläu­biger gewahrt, indem verhin­dert wird, dass Schuldner ihr Vermögen unbe­grenzt als genos­sen­schaft­li­ches Geschäfts­gut­haben insol­venz­fest anlegen können.

Auch die Gläu­bi­ger­rechte werden gestärkt Verstößt ein Schuldner gegen die ihm während der Wohl­ver­hal­tens­pe­riode aufer­legten Pflichten, konnte ein Gläu­biger bisher nur im Schluss­termin des Insol­venz­ver­fah­rens vor dem Insol­venz­ge­richt einen Antrag stellen, dass der Schuldner nicht von seinen Schulden befreit wird.

Diese Situa­tion führte zu dem unbe­frie­di­genden Ergebnis, dass Schuldner die Befreiung von ihren Verbind­lich­keiten durch das Gericht ausge­spro­chen erhielten, weil die Gläu­biger an dem betref­fenden Gerichts­termin nicht teil­nahmen. Mit den Maßnahmen zur Stär­kung der Gläu­bi­ger­rechte soll dies künftig verhin­dert werden. Unter anderem ermög­licht das Gesetz zukünftig den Gläu­bi­gern, einen Antrag auf Versa­gung der Rest­schuld­be­freiung jeder­zeit schrift­lich zu stellen. Ein solcher Antrag muss spätes­tens im Schluss­termin vorliegen oder gestellt werden.

Aufgrund der Insol­venz­ord­nung kann eine Versa­gung des Rest­schuld­be­freiung unter anderem wegen unan­ge­mes­sener Verbind­lich­keiten, Vermö­gens­ver­schwen­dung oder bis zu drei Jahre zurück­lie­gender unvoll­stän­diger oder falscher Angaben über die wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse statt­finden. Die Rest­schuld­be­freiung kann dabei auch nach­träg­lich versagt werden, falls ein Versa­gungs­grund erst nach dem Schluss­termin erkannt wird.

Bisher konnte ein Versa­gungs­grund nur im Verlauf des Insol­venz­ver­fah­rens geltend gemacht werden. Nach der Reform der Privat­in­sol­venz 2013 kann ein Antrag binnen sechs Monaten nach Bekannt­werden des Versa­gungs­grundes zulässig sein. Kommt es zu einer Versa­gung oder einem Widerruf der Rest­schuld­be­freiung, ist diese nun im Schuld­ner­ver­zeichnis aufzu­führen.

Die Reform ermög­licht damit insol­venten natür­li­chen Personen einen schnel­leren wirt­schaft­li­chen Neustart und stärkt gleich­zeitig die Rechte der Gläu­biger.